[Dieser Artikel erschien erstmals im Magazin TRAiNiNG und darf nach freundlicher Genehmigung auch hier veröffentlicht werden.]
Nicht jeder Teilnehmer profitiert gleichermaßen von einem Seminar. In diesem Artikel stellen wir Möglichkeiten für Trainer und Unternehmen vor, den Lernerfolg zu steigern und vor allem den Transfer in den beruflichen Alltag sicherzustellen.
In der Weiterbildungswelt ist ein großes Umdenken angekommen. Gott sei Dank! Seminare, die nur Kosten verursachen und wenig nachhaltige Wirkung zeigen, gehören der Vergangenheit an. Personalentwickler, Trainer, Führungskräfte und Teilnehmer arbeiten gemeinsam daran, sich und ihr Team zu verbessern. Dabei geht es nicht nur darum, Seminare an sich wirksamer und praxisnäher zu designen, sondern auch darum, den kompletten Prozess zu überdenken.
Das 70:20:10-Modell
Kennen Sie das (falsche) 70:20:10-Modell? Demnach lernen erfolgreiche Manager 70 % während ihrer normalen beruflichen Tätigkeit, 20 % von anderen Menschen, und nur 10 % in Seminaren und durch Bücher und Artikel. Das Modell geht zurück auf den Forscher Morgan McCall vom »Center for Creative Leadership«. Es wurde erstmals 1996 im Buch »The Career Architect Development Planner« veröffentlicht und basiert auf qualitativen Interviews mit knapp 200 Managern.
Von manchen Trainern hört man, dass sich diese Theorie auf jegliches Lernen bezieht. Das ist aber von den Autoren niemals so gemeint gewesen, sondern hat sich lediglich auf Leadership-Skills bezogen und niemals auf andere Fähigkeiten, wie z. B. Verkaufs-Skills. Außerdem sind die konkreten Zahlen anzuzweifeln. Wie aus qualitativen Interviews so schöne gerade Zahlen entstehen, ist nicht erklärbar, spielt aber im Endeffekt keine Rolle. Das Modell gibt eine Idee, wie Führungskräfte lernen, ob es nun 70 oder 65 oder 80 % sind, ist wirklich egal. Und vermutlich lernen wir auch bei anderen Themen als Leadership sehr viel unbewusst, einfach im Arbeitsalltag. Vielleicht durch Gespräche mit Kollegen, und beim zufälligen Zusehen, wie Kollegen Aufgaben erledigen. Tatsache ist jedenfalls, dass wir permanent dazulernen.
Diesen Effekt sollten sich auch Unternehmen zum Vorteil machen. Wenn wir schon einen sehr hohen Prozentsatz dessen, was wir im betrieblichen Kontext lernen, on the Job mitbekommen, sollte genau dieser Prozess professionalisiert werden. Die Verantwortung, neues Wissen anzueignen, einfach an Trainer abzugeben, ist nicht mehr zeitgemäß. Sehr wohl aber gemeinsam mit der Unterstützung von Experten aus der Welt des betrieblichen Lernens, also Trainer, Trainingsdesigner oder Lern-Coaches.
In diesem Artikel möchten wir folgende Punkte besprechen und uns die Meinungen von vier Experteninnen auf dem Gebiet der Erwachsenenbildung anhören:
- Warum sind 2-Tages-Seminare out?
- Welche Dinge sollten Unternehmen/Trainer/Führungskräfte und Teilnehmer vor einem Seminar beachten, welche Maßnahmen schon vor dem Training gesetzt werden?
- Welche während eines Seminars?
- Welche nach einem Seminar?
- Welche Alternativen zum klassischen Seminar gibt es?
Probleme von 2-Tages-Seminaren
In den goldenen Jahren der 80er- und 90er-Jahre, ja auch noch Anfang der 2000er bis zur Finanzkrise hat die Weiterbildung anders ausgesehen als heute. Größere Betriebe hatten einen Seminarkatalog, und die Mitarbeiter durften in Absprache mit der Führungskraft mehr oder weniger wahllos Seminare buchen. Diese, damals häufig noch 3-Tages-Seminare, begannen am ersten Tag um 9.00 Uhr und endeten am letzten Tag um 17.00 Uhr. Das war’s dann auch. Keine Vorbesprechung, keine Nachbesprechung, keine Transfermaßnahmen – geringe Wirkung und Nutzen für Teilnehmer oder Unternehmen. Doch was ist das Problem daran? Über viele Jahre wurde ja genau das nachgefragt und an geboten.
Anna Langheiter (Trainingsdesigner): »Die ›klassischen‹ 2-Tages-Seminare, bei denen die Teilnehmer tatsächlich nur die 2 Tage im Training sind und weder vorher noch nachher begleitet werden, haben aus meiner Erfahrung tatsächlich geringen Nutzen. Denn im Training können neue Inhalte geübt werden und die Teilnehmer können die Erfahrung mitnehmen, dass das neu Gelernte relevant und nützlich sein kann. Was damit im Alltag passiert, kann man nicht beeinflussen. Es braucht Raum, Zeit und eine wohlwollende Umgebung, damit es zur Umsetzung kommt.«
Andrea Tencl (Trainer bei VBC): »Wer nicht nur Wissen, sondern Verhalten ändern und neue Handlungskompetenzen erlangen will, wird durch die alleinige Absolvierung eines 2-tägigen Seminars nicht allzu viel erreichen. Selbst wenn am Ende des Tages die Teilnehmer hoch zufrieden das Training beenden, sich viel vornehmen, viele spannende Inhalte aufnehmen konnten, fleißig geübt wurde und die Feedbacks an die Trainer hervorragend waren. Denn erst durch regelmäßiges Anwenden und konsequentes Dranbleiben können neue Handlungskompetenzen entwickelt und neues, erwünschtes Verhalten etabliert werden. Hier helfen Trainingskonzepte, die vor, während und nach den Seminartagen den Transfer in die Praxis unterstützen.«
Michaela Kellner (Trainer und Geschäftsführer bei ANKH.AT) reflektiert viele weitere Punkte, die bei einem Seminar nachteilig sein können: »Das ›klassische‹ 2-Tages-Seminar gibt es de facto immer weniger. Folgende Faktoren sind oft hinderlich:
- Das Seminar ist eine punktuelle Maßnahme – ohne Vor- und Nachbereitung.
- Die Teilnehmer haben nach dem Seminar keinen genauen Plan, was genau und wie genau sie das Gelernte umsetzen werden.
- Die Teilnehmer kommen nach 2 Tagen an ihren Arbeitsplatz zurück – und dürfen gleich viel abarbeiten. Dadurch haben sie keine Zeit und Muße, das Gelernte anzuwenden.
- Die Erfahrung zeigt: Was nicht innerhalb von 72 Stunden begonnen wird, wird kaum umgesetzt (nur zwischen 1 – 3%).
- Es gibt sehr selten ein Gespräch mit der Führungskraft, welche Inhalte nach dem Training umgesetzt werden (sollen) – und wie die Führungskraft hier unterstützen kann – dabei wäre das so besonders wichtig – denn aus der Gehirn- und Lernforschung wissen wir: ›Wer lehrt, der lernt.‹
- Nach dem Training findet meist kein Austauschen mit den Seminar-Kollegen statt. Lernerfolge oder Misserfolge werden so nicht reflektiert oder gefestigt.
- Es gibt keine Umsetzungs-Begleitung – durch wen auch immer.
- Motivierte Mitarbeiter probieren das eine oder andere aus dem Seminar aus. Toll, wenn es gut geht. Bei Misserfolgen fehlen Ansprechpartner für Reflexion. Und dann lassen es viele bleiben und machen es so wie immer.«
Um herauszufinden, was Seminare sinnvoller und ergebnisorientierter macht, haben sich Lernexperten und Psychologen damit auseinander gesetzt, wie lernen wirklich funktioniert. Wer sich mit dem Thema Erwachsenenbildung beschäftigt, sollte davon etwas verstehen. Und sich laufend weiterbilden, denn auch die Hirnforschung bringt hier permanent neue Erkenntnisse heraus.
Sabine Prohaska (Eigentümer seminar consult prohaska): »Lernen vollzieht sich in Lernschleifen aus Vermittlung, Anwendung und Reflexion. Wir nehmen Information auf und verarbeiten sie in unserem Gehirn. Dadurch entsteht Wissen. Wenn wir dieses neue Wissen im (Arbeits-)Alltag ausprobieren, dann sehen wir, ob wir etwas können. Aber erst wenn dieses Können vertieft wird und wir automatisch richtig handeln, ohne groß darüber nachdenken zu müssen, was wir wie genau machen sollten, ist eine Kompetenz aus der anfänglichen Information geworden. Ein Einzelevent liefert immer nur einen Impuls oder bietet vielleicht Übungsmöglichkeiten an. Der Erwerb der eigentlichen Kompetenz, dass das gewünschte neue Denken oder Verhalten zur Routine wird, also automatisiert ist, erfolgt immer erst in der Praxis und in einem längeren Prozess.«
Maßnahmen vor dem Training
Grundsätzlich lassen sich Weiterbildungsmaßnahmen in eine Zeit vor dem Event, in das Event selbst und in eine Zeit danach unterteilen. Jede Phase hat unterschiedliche Ziele, die in ihr verfolgt werden sollten. In der Zeit vor der Maßnahme (Training, Online-Lernen etc.) gilt es vor allem einmal, das Bewusstsein für das Thema zu schärfen und Ziele für alle Teilnehmer zu definieren. Was sonst noch relevant für diese Zeit ist, erzählen die interviewten Expertinnen. Die Antworten sind leicht gekürzt, damit sich Aussagen nicht wiederholen.
Michaela Kellner: »Das Wichtigste ist sicher, dass die Teilnehmer verstehen, warum sie das Training besuchen (sollen) und was von ihnen erwartet wird. Unterstützend kann hier bereits die Einladung durch die Führungskraft sein. Idealerweise führt diese sogar ein Ziel-Gespräch vorab mit den Teilnehmern (ob schriftlich oder persönlich) und informiert sie über Anlass, Ziele und Inhalte des Trainings. Vom Trainer kann vorab schon ein Onboarding gemacht werden. Das können Maßnahmen sein wie ein Fragebogen, Vorstellung des Trainers, eine Einladung zur Vorstellung der Teilnehmer, ein Wissens-Quiz oder eine Wissensstand-Abfrage. Als Auftraggeber kann ich einen Fokus auf den Outcome haben und Trainer wählen, die hier einen Fokus haben oder die Gruppe beim Umsetzen unterstützen.«
Sabine Prohaska: »Oft sind es Kleinigkeiten, mit denen sich eine große Wirkung erzielen lässt. Neben der Einladung durch die Führungskraft, lohnt es sich auch noch genauer auf die Teilnehmer zu blicken: Wie sieht es mit ihrer Motivation aus? Ist ihnen klar, welchen Nutzen die Weiterbildung für sie hat? Glauben die Teilnehmer daran, dass sie die gelernten Fähigkeiten praktisch umsetzen können und haben sie die Bereitschaft und Fähigkeit, das Gelernte trotz eventueller Schwierigkeiten anzuwenden? Um die Bereitschaft bei den Teilnehmern vorab zu steigern, eignen sich motivierende Seminarankündigungen oder Statements von Kollegen, die von ihren Erfolgen nach dem bereits absolvierten Lernangebot berichten. Ähnlich den Referenzen auf Webseiten können diese Statements via Video, Audio oder Text den neuen Teilnehmern zur Verfügung gestellt werden. Auch Videostatements der Trainierenden kommen vorab gut an und machen Lust auf die Veranstaltung.«
Für das Unternehmen müssen folgende Fragen klar beantwortet werden können, und diese Antworten auch an die Teilnehmer kommuniziert werden:
- Was sind die konkreten Lernziele?
- Was sind die wichtigsten Lerninhalte, um diese Ziele zu erreichen?
- Ist es realistisch, die geplanten Inhalte im vorgegebenen Zeitrahmen zu vermitteln und ausführlich genug zu üben?
- Was sind die wichtigsten Themen?
- Gibt es im Unternehmen bestehende Unterlagen? Sind diese aktuell?
- Wie ist der zeitliche Ablauf? Dramaturgie!
- Wo braucht es Raum für Wiederholung und Praxistransfer?
- Für welche »Blöcke« bieten sich Online-Einheiten an, für welche Präsenz-Einheiten?
Andrea Tencl: »Schon vor dem Training soll den Teilnehmern ganz klar sein, was nach der Ausbildung anders sein soll und welches neue, wünschenswerte Verhalten erwartet wird und welchen Sinn diese Ausbildung hat. Hier nützen wir das Phänomen, dass Aussagen, die über eine
mögliche Zukunft getroff en werden, Einfluss auf das tatsächliche Eintreten haben – sogenannte selbsterfüllende Prophezeiungen. Wenn Teilnehmer positive Erwartungen an das Training haben, werden sie unbewusst oder bewusst mehr bemüht sein, damit diese auch eintreten. Geben Sie daher ein klares Bild der Ausbildung und des damit verbundenen Nutzens, da diese die Wahrnehmung und das Erfahren positiv beeinfl ussen. Es geht um Erwartungsklarheit!«
Anna Langheiter hat einen weiteren Tipp: »Zu meiner absoluten Lieblingsmethode zählt das ›Lernprojekt‹. Damit meine ich ein Thema, das die Teilnehmer tatsächlich beschäftigt und wo das Gelernte unmittelbar angewendet wird. Das kann in Train-the-Trainer-Ausbildungen ein Trainingsthema, beim Thema Moderationstechnik die Planung und Durchführung eines konkreten Meetings und beim Projektmanagement das anstehende Projekt sein. Da die Teilnehmer dann fortwährend das Gelernte mit dem eigenen Thema verbinden, wird der erste Transfer schon im Training geleistet. Als sehr hilfreich hat sich die Learner Journey erwiesen: Es handelt sich dabei um die grafi sche Darstellung, bei der allen Beteiligten die Detailschritte und der Zeitaufwand eines Lernprozesses vor, während und nach dem Training aufgezeigt werden. Wenn alle – und nicht nur die Lernenden selbst – wissen, was auf sie zukommt und das Vorhaben unterstützen, dann wird transferwirksam gearbeitet.«
Maßnahmen während des Trainings
Wenn Unternehmen, Trainer und Teilnehmer ihre »Hausaufgaben« erledigt haben, geht es in einem weiteren Schritt in das eigentliche Seminar. Teilnehmer treffen einander, um gemeinsam und auch voneinander zu lernen. Hier liegt der Fokus nun am tatsächlichen Wissenvermitteln und Üben. Eine Grundregel lautet: Weniger ist mehr. Je weniger Inhalt, umso mehr kann dieser geübt und gefestigt werden. Wenn sich Trainer zu viel vornehmen, wird der »Stoff « zwar durchgesprochen, aber nicht nachhaltig verankert. Außerdem gilt, wie schon oben kurz beschrieben: Je näher dran am Alltag, umso wahrscheinlicher, dass etwas hängen bleibt.
Andrea Tencl: »Wen wundert es, wenn Teilnehmer nach ein paar Minuten der Aufmerksamkeit abgleiten und unter den Tischen nach ihren Smartphones fischen, wenn das Vermittelte so gar nicht zu den Anforderungen des Arbeitsalltags passt? Die Frage ›Was hat das mit mir zu tun?‹ lässt sich durch Inhaltsrelevanz beantworten, die sich in den eingebrachten konkreten Fällen, Problemstellungen und speziellen Herausforderungen der Teilnehmer wiederfinden, die aktiv bearbeitet und geübt werden. Damit Transfer funktioniert ist es essenziell, bereits die ersten Schritte, die zur Umsetzung dieser Ziele beitragen, im Seminar mit einzuplanen.«
Anna Langheiter: »Für alle Teilnehmer ist es wichtig, permanent zu wissen, was das aktuelle Thema mit ihrem Alltag zu tun hat. Das konkrete »Why« darf nie aus den Augen verloren werden. Im Training ist es auch wichtig, laufend die ›Nuggets‹ einzusammeln. So bitte ich die Teilnehmer am Ende jeder 90-Minuten-Einheit, ein bis drei Ideen zu notieren, die sie ehestmöglich umsetzen wollen und ein bis drei Ideen, die sie zwar interessant finden und derzeit nicht umsetzen können. Über den Zeitraum eines Trainings sammeln sich dann viele Ideen und so gebe ich den Teilnehmern am Ende des Trainings noch ausreichend Zeit, einen Transferplan zu schreiben, der auch im Tagesgeschäft umsetzbar ist.«
Unser Gehirn verarbeitet jede Sekunde enorme Mengen von Daten. Das meiste wird sofort wieder vergessen. In das Kurzzeitgedächtnis gelangt nur, was das Gehirn mit bereits gespeichertem Vorwissen verknüpfen kann. An bestehende Informationen anzuknüpfen, erhöht also den Lernerfolg. Aber auch der Großteil dieser Informationen ist nach durchschnittlich 20 Minuten wieder vergessen. Was wir nach einer Stunde immer noch aus der Erinnerung wiedergeben können, ist ins Langzeitgedächtnis übertragen worden. Diesen Vorgang müssen Trainer gemeinsam mit Teilnehmern ganz bewusst steuern. Und hier sprechen wir nur einmal vom Wissen, noch nicht vom Können.
Sabine Prohaska: »Bei der Erstellung von Lerneinheiten sollte stets darauf geachtet werden, dass diese auch gehirngerecht sind. Unser Kurzzeitgedächtnis ist begrenzt. Daher gilt es, die Menge an Informationen (vor allem Daten und Fakten) zu reduzieren. Außerdem wissen wir aus zahlreichen gedächtnispsychologischen Studien, dass Menschen sich Informationen, die für sie eine Bedeutung haben, viel leichter merken. Also sollten Beispiele stets mit einem Bezug zur Zielgruppe und ihrer spezifischen Arbeitssituation gewählt werden. Aber auch die Taktung, also die Länge der Zeiträume zwischen den Modulen oder Aufgaben, ist ein wichtiger Erfolgsfaktor. Das gilt auch für die Überlegung, ob man alle Informationen und Aufgaben auf einmal zur Verfügung stellt oder ob man sie häppchenweise freischaltet. Bei der sequenziellen Bereitstellung von Lernmaterialien ist die Zeitdauer der Bearbeitung geschickt zu wählen. Es sollte nicht zu viel Zeit zwischen den einzelnen Infoblöcken liegen, um der Vergessenskurve gegenzusteuern. Die Sequenzen dürfen aber auch nicht zu rasch aufeinander folgen. Denn gerade im Arbeitskontext soll Lernen nicht zusätzlichen Stress erzeugen, sondern den Lernenden mittels Freude an der Sache echten Nutzen bringen.«
Michaela Kellner: »Schon beim Planen und Designen des Trainings ist es wichtig, rund 10 % der Trainingszeit für den Outcome einzurechnen: Was heißt das genau? Ein Trainingstag hat typischerweise vier 90-Minuten-Einheiten, das sind 360 Minuten. Für das ›Outcome-Package‹ planen wir ca. 40 Minuten. Das beinhaltet natürlich praxisrelevante Übungen mit Feedback und Reflexion. Unser Gehirn lernt durch Wiederholungen: Dies können wir mit Wissensquiz, Murmelgruppen oder Lernspielen sichern. In einem ›Lerntagebuch‹ halten die Teilnehmer ihre individuellen Ziele und Umsetzungsschritte fest. Ideal finden sich dort Impulsfragen – oder Satzanfänge.«
Maßnahmen nach dem Training
Nach einem Seminar beginnt die kritische Phase. Wenn hier nie wieder darüber gesprochen wird, war alle Liebesmühe umsonst. In dieser sogenannten Nachbearbeitungs-Phase ist es wichtig, regelmäßig die zuvor definierten Ziele ins Bewusstsein zu rufen und abzugleichen. Gespräche mit Führungskräften oder anderen Teilnehmern sind eine gute, kostengünstige Maßnahme. Aber auch Reflexionsphasen mit den Trainern in länger werdenden Abständen nach einem Training stellen eine hervorragende Möglichkeit dar, langfristig zu profitieren.
Michaela Kellner stellt zwei Bereiche vor, die aktiv den Outcome beeinflussen können, und gibt zahlreiche Beispiele:
»1. Trainer
Für einen höheren Outcome können folgende Maßnahmen des Trainers sorgen:
- ein Lerntagebuch aus dem Training
- Erinnerungen wie Wissensquiz, Online-Lernspiele, Links zu Lern-Audios oder -Videos
- eine Postkarte oder einen Brief an mich selbst
- Aufgaben, die die Teilnehmer machen müssen und Feedback dazu erhalten
- Learning-Buddys oder eine Peer-Group, damit das Umsetzen und die gemachten Erfahrungen besprochen und reflektiert werden
- eine (Online-)Reflexions- und Fragestunde mit dem Trainer
- eine Schreibtischunterlage oder Transferkarte mit den wichtigsten Trainingsinhalten
- ein kleines Give-away als Erinnerungsanker
- Zeit geben, um das Gelernte anwenden und umsetzen zu können. Zum Beispiel hat ein Mitarbeiter ein PowerPoint-Training besucht. Danach braucht es Zeit, um die Präsentationen zu überarbeiten.
2. Führungskräfte
- Zwei kurze Gespräche nach dem Training, in denen Ziele vereinbart werden
- die drei wichtigsten Learnings im nächsten Jour fixe präsentieren
- Zeit für das Umsetzen zur Verfügung stellen
- Veränderungen wahrnehmen und dazu stärkendes Feedback geben
- Learning Buddy anregen
- Mentoring System bei größeren Ausbildungen einführen.«
Anna Langheiter: »Eine feine Variante ist ein Veränderungsbeobachter. Dabei wird im Training zuerst geklärt, welche Verhaltensweisen verändert werden oder neu angewendet werden sollen. Dann suchen sich die Teilnehmer jeweils eine Person aus, die häufig anwesend ist, wenn das neue Verhalten gezeigt werden soll. Und diese Person wird dann gebrieft und gibt laufend Feedback. Der Lern-Transfer-Circle ist das neueste ›Transferbaby‹, bei dem sich Teilnehmer gegenseitig unterstützen. Die Transfervorhaben werden am Ende des Trainings geklärt. Dann treffen sich Gruppen von 3 bis 5 Teilnehmern für genau eine Stunde in einem Zeitraum von 12 Wochen und unterstützen sich gegenseitig bei der Umsetzung.«
Die unmittelbare Zeit, die nächsten paar Tage nach einem Seminar, sind wichtig für das nachhaltige Verankern der Inhalte. Sabine Prohaska rät daher: »Nach einem Lernimpuls, wie einem Seminar, sollten Menschen idealerweise positive Erfahrungen machen. Sie brauchen diese positiven Erlebnisse, um auch nach dem Seminar mit Freude und Motivation am Thema dranzubleiben. Und das können wir aktiv steuern. Zum Beispiel mit Remindern im Alltag, die praktische Aufgaben enthalten. Diese Aufträge in der Praxis können wenige Minuten oder Stunden dauern, aber auch in Form eines längeren Praktikums erfolgen. Zusätzlich können Trainer den Teilnehmern Hinweise geben, wo sie etwas nachlesen oder auff rischen können (z. B. einen Link zu einem Video) – etwa wenn sie Umsetzungsschritte vergessen haben. Oder einen Test zur Selbsteinschätzung anbieten etc. Wichtig ist, die Teilnehmer nicht allein zu lassen. Sie sollten vom Trainer, vom Bildungsverantwortlichen oder der Führungskraft regelmäßig weitere Inspirationen, Infos und konstruktives Feedback erhalten.«
Andrea Tencl: »Damit Inhalte und die Motivation weiterhin hoch gehalten bleiben, hilft der an ein Seminar anschließende und über einen längeren Zeitraum wiederkehrende Austausch mit sogenannten Transfercoaches, die die Teilnehmer bei schwierigen Phasen der Umsetzung unterstützen und motivieren oder auch weitere Lösungen mit ihren ›Coachees‹ erarbeiten. Diese Rolle kann sowohl von Externen als auch von der Führungskraft übernommen werden.«
Alternativen zum klassischen Seminar
Zu Beginn des Artikels wurde kurz die Idee von verstärktem gegenseitigen Lernen angeregt, mit Begleitung durch Lernexperten. Diese Idee greift Sabine Prohaska auch bei den Alternativen auf – und denkt noch weiter: »In der heutigen Zeit, in der sich vieles rasch verändert, muss Lernen als kontinuierlicher Prozess verstanden werden, der völlig neue Ideen und Denkweisen hervorbringt. Und dieser Prozess sollte weit und breit gedacht werden. Denn es gibt inzwischen viele Wege, wie wir innerhalb und außerhalb einer Organisation lernen: durch das Ansehen von Videos oder den Austausch in Online-Netzwerken und Communities, zunehmend auch mittels Virtual Reality. Eine Untersuchung von Jane Hart (2020) zeigt, dass Menschen wesentlich mehr aus dem Selbststudium als aus formalen Kursen lernen: 39 % durch Internetsuche, Videos, Podcasts oder Blogs und nur 12 % aus formalen Kursen (E-Learning, Präsenzseminare). Für weitere Lernformen ergaben sich folgende Werte: 29 % durch Anwenden (direkt bei der Arbeit, durch Mentoren oder Coaches) und 20 % aus Diskussionen mit anderen (sozialer Austausch, Netzwerken, Konferenzen, Events). Der Lernprozess muss also weitaus vielschichtiger werden als bisher und idealerweise als Kombination aus verschiedensten Bausteinen des Lernens zusammengestellt sein.«
Anna Langheiter: »Seit digitales Lernen und Blended Learning Einzug in die Trainingswelt gehalten haben, gibt es viele Möglichkeiten, Training neu zu gestalten. Wenn ich davon ausgehe, dass die Inhalte des 2-Tages-Seminars geschult werden sollen, können diese auch durch Lernvideos, WBTs (Web Based Trainings) und Lernaufgaben ersetzt oder mit einer Präsenzveranstaltung ergänzt werden. Ebenso können Live-Online-Trainings statt des Präsenztrainings in regelmäßigen Abständen (z. B. jeden Montag Vormittag) durchgeführt werden, sodass die Inhalte verteilt geschult und mit Transferaufgaben begleitet werden können.«
Fazit – Lernwirksamkeit erhöhen
Um über sinnvolles Weiterbildungsdesign zu schreiben, braucht man viel Platz. Das Thema ist komplex. Dieser Artikel soll eine grobe Idee darüber geben, wie wichtig dieses Thema ist, und gleichzeitig ein paar leicht umsetzbare Impulse liefern. Bedenken Sie bei der Planung die drei Phasen (Vorbereitung auf ein Seminar, Durchführung, Nachbearbeitung) und lassen Sie die Teilnehmer nicht mit sich alleine. Involvieren Sie Führungskräfte in sämtliche Weiterbildungsaktivitäten. Dann sind Sätze wie »Das Seminar hat nichts gebracht!« Geschichte und es heißt in Zukunft: »Dieses Seminar war toll, ich habe nachhaltig etwas gelernt, wann darf ich mich wieder weiterbilden?«
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