So viele spannende Inhalte! Und nur so wenig Zeit?

Wenn Sie als Fachexperte Trainings vorbereiten oder als Trainer oder Trainingsdesigner unterwegs sind, dann stellt sich immer wieder die Frage: Wie um alles in der Welt kann ich die vielen, guten und so wichtigen Inhalt in der vorgegebenen und meist viel zu kurzen Zeit trainieren? Wie kann ich Lerninhalte sinnvoll reduzieren?

Schon bei der Erstellung der Trainingsbedarfsanalyse beginnt der Spagat zwischen gewünschten Inhalten und der Zeit. Beim Zusammenstellen der Inhalte erhärtet sich der Verdacht. Und spätestens beim detaillierten Design kommt man um eines nicht mehr herum: die oft radikale Reduktion der Inhalte, damit das wirklich Wichtige trainiert und geübt wird und auch noch ausreichend Zeit für die Transferplanung zur Verfügung steht. Das bewusste Auswählen und Vereinfachen der Inhalte nennt man didaktische Reduktion.

Definition – Didaktische Reduktion

„Didaktische Reduktion findet statt, wenn umfangreiche und komplexe Inhalte für die Lernenden ausgewählt und aufbereitet wurden. Die Auswahl der Inhalte bezeichnet die curriculare Perspektive, die Konzentration und Vereinfachung die vermittlungstechnische“, so schreibt Martin Lehner in seinem Buch „Didaktische Reduktion“. Und in aller Kürze: Trennen wir das Lernwürdige vom Lernmöglichen!

Generell ist die didaktische Reduktion ein Kernelement der Wissensvermittlung, in deren Mittelpunkt immer die Lernenden stehen. Und es ist ein nicht so oft erwähntes und doch äußerst wichtiges Thema und die Bedeutung der didaktischen Reduktion wird immer größer: Denn die Inhalte werden immer mehr, während die Zeit für die Vermittlung von den Unternehmen zunehmend reduziert wird. Umso wichtiger ist es, zu wissen, wie man zu dem „wenigen Wichtigen“ kommt, das die Teilnehmenden benötigen. Somit bedeutet „Didaktische Reduktion“, dass Lerninhalte für die Lernenden so aufbereitet werden, dass diese überschaubar und verständlich sind. Aus einer großen Stofffülle wird eine Auswahl der Lerninhalte getroffen, dann werden die Inhalte noch weiter auf das Wesentliche konzentriert.

Geschichte der didaktischen Reduktion             

Ohne Zweifel gab es zu allen Zeiten das Problem in der Pädagogik, komplexe Inhalte für die Lernenden begreifbar zu machen. Wolfgang Klafki hat sich mit der Frage beschäftigt, wie man die Themen herausfiltern kann, die für die Lernenden von Bedeutung sind. Er hat im Rahmen der Didaktischen Analyse fünf inhaltliche Grundfragen thematisiert, die sich ein Trainingsdesigner bei jedem neuen Seminarkonzept neu stellen sollte und die sich auch in meiner Arbeit bewährt haben:

  1. Exemplarische Bedeutung: Welchen größeren Sinn- oder Sachzusammenhang erschließt der Inhalt?
  2. Gegenwartsbedeutung: Welche Bedeutung hat das Thema derzeit?
  3. Zukunftsbedeutung: Worin liegt die Bedeutung des Themas in der Zukunft?
  4. Struktur des Inhaltes: Welche Struktur ist vorgegeben oder wie kann Struktur gegeben werden, wie kann man dadurch zur Vereinfachung beitragen?
  5. Zugänglichkeit: Wie können die Inhalte begreiflich und zugängig gemacht werden?

Methoden zur didaktischen Reduktion

In meiner Arbeit als Trainingsdesignerin habe ich Lieblingsmethoden gefunden, die mir bei der didaktischen Vereinfachung helfen. Was zu Beginn noch unstrukturiert und zugegebenermaßen Bauchgefühl war, hat dann hilfreiche Methoden gefunden, die nach außen Transparenz schaffen und auch in der Anwendung mit Auftraggebern und größeren Teams funktionieren.

Kopf, Herz, Hand

Eine Methode ist es, die Lernziele mit Kopf, Herz und Hand zu beschreiben und dann die Inhalte genau darauf abzustimmen. Das Lernziel Kopf, zielt darauf ab, was die Teilnehmenden nach dem Training wissen und kennen. Sie haben danach Theorie- und/oder Faktenwissen. Dieses Lernziel Herz zielt auf die Veränderung von Einstellungen, Interessen, Werten und Haltungen bei den Teilnehmern ab. Das Lernziel Hand zielt darauf ab, was die Teilnehmer nach dem Seminar aufbauend auf der Theorie und/oder dem Faktenwissen anwenden können.

Sind diese Lernziele – schon in der Trainingsbedarfsanalyse – gut abgestimmt und auch im Hinblick auf den Faktor Zeit geklärt, kann nach diesen Kriterien die didaktische Reduktion erfolgen. Mit Kopf, Herz, Hand arbeite ich sehr gerne, wenn mir die Trainingsinhalte bekannt sind und die Dauer des Trainings überschaubar ist.

Criticality Matrix

Ist dem Trainingsdesigner der Inhalt neu und/oder arbeitet man mit Auftraggebern oder Fachexperten zusammen, die sich schwertun, Lernwürdiges vom Lernmöglichen zu trennen, dann kann die Anwendung der Criticality Matrix – eine extrem systematische Vorgehensweise zur Inhaltsreduktion – sehr hilfreich sein. Dies lehnt sich an den „Criticality Approach to Content Selection“ von Chuck Hodell an. Hodell beschreibt in seinem Buch „ISD (Instructional System Design) From the Ground Up” (Hodell, 2011) eine Vorgehensweise, die ich für meine Arbeit vereinfacht habe.

Ausgangsvoraussetzung zur Verwendung der Matrix ist die Erstellung einer Liste aller Inhalte, die geschult werden sollen. Besonders praktisch ist es an der Stelle, für jeden Inhalt ein Post-it® schreiben zu lassen. Dies beinhaltet dann sehr oft die ganz große Wunschliste der Auftraggeber und Fachexperten, die den Dreh von „alles muss geschult werden“ zum „wenigen Wichtigen“ noch nicht heraußen haben.

Erstellen Sie eine Tabelle, in der auf der Y-Achse die Häufigkeit abgebildet ist und auf der X-Achse die Wichtigkeit.

Nehmen Sie dann jedes Post-it®, überlegen Sie – wenn möglich mit dem Auftraggeber und den Fachexperten für jeden Inhalt, wie häufig (Y-Achse) die Teilnehmenden das Gelernte im Alltag einsetzen werden und kleben es dann in eine von vier Kategorien:

  • Kritisch: Hier geht es um Inhalte, die zwingend erforderlich sind, damit die Umsetzung des Lernziels erreicht werden kann. Hier kann es sich z.B. um rechtliche oder technische Inhalte handeln wie zwingende interne Abläufe oder Unfallverhütung.
  • Wesentlich: Das sind die Inhalte, die nicht kritisch sind und doch wichtig genug, da sie die Grundlage für eine gründliche Schulung bieten. Hierbei handelt es sich z.B. um Prozessschritte, Grundkenntnisse eines neuen Computerprogramms oder fachliche Inhalte.
  • Optional: Das sind die Inhalte, die nicht für die sofortige, häufige Anwendung gedacht sind. Sie beinhalten oft Hintergrundinformationen.
  • Unbedeutend: Das sind Inhalte, die nichts zum Lernziel beitragen. Oft sind sie aus Gewohnheit dabei, weil es immer schon geschult wurde oder weil ein Fachexperte das für außerordentlich wichtig hält. Diese Kategorie ist naturgemäß besonders umstritten.

Daraus ergibt sich ein klareres Bild, welche Inhalte trainiert werden müssen. Je weniger Zeit zur Verfügung steht, desto mehr wird man die Inhalte nehmen, die kritisch sind und zusätzlich darauf achten, welche Inhalte häufig verwendet werden.

Didaktische Reduktion - Critical Matrix befüllt

Didaktische Reduktion an einem Beispiel einfach erklärt

Eine Steuerberatung hat einerseits Mitarbeiter, die für die Klienten monatlich die Abrechnung machen und Mitarbeiter, die für die GmbH-Abschlüsse zuständig sind. Das Seminar (in diesem Fall alle Post-it®links oben) , das für die Abrechnungsmitarbeiter konzipiert werden soll, wird alles beinhalten, was diese täglich, wöchentlich und monatlich brauchen. Das Thema GmbH-Abschluss muss man nicht behandeln, zumindest nicht in der Tiefe, die jemand haben muss, der diesen dann durchführt. Dies könnte ein weiterer Auftrag für den Trainingsdesigner sein (Post-it®). So kann die Criticality Matrix einerseits zu Klärung dienen, was wirklich geschult werden soll und gleichzeitig für Folgeaufträgen für den Trainingsdesigner sorgen.

Fazit oder wozu sollen Trainer und Trainingsdesigner etwas über didaktische Reduktion lernen?

Weniger ist mehr, heißt es. Und nur wenn wir es schaffen, das wenige Wichtige für die relevante Zielgruppe herauszufinden, dies gut „rüberbringen“, Zeit fürs Üben und für die Planung des Transfers haben, dann werden wir die Transferwirksamkeit von Trainings erhöhen.

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